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Masurische Sprache - Masurischer Dialekt


[Oprac. Bernard Mack]

Im Gebiet der heutigen Region Ermland und Masuren war die Kommunikation zwischen den Einwohnern seit den Anfängen der staatlichen Verwaltung eine echte Herausforderung. Vor der Ankunft der Deutschen Ritter in dieser Region waren die Gebiete von preußischen Stämmen bewohnt, die lose miteinander verbunden waren. Sie kommunizierten miteinander über die preußische Sprache, die manchmal als altpreußische Sprache bezeichnet wird, um sie von der deutschen Sprache in Preußen zu unterscheiden. Die Deutschen Ritter, die diese Gebiete mit "Feuer und Schwert" eroberten, setzten den eroberten Stämmen ihre Sprache - Deutsch - auf. Bei der Schaffung der Verwaltung des neuen Deutschordensstaates wurde Deutsch notwendigerweise als die offizielle Amtssprache durchgesetzt. Um ihr Land aufzubauen, zogen sie neue Siedler aus ganz Westeuropa an, vor allem aber aus Nachbarländern - Litauen, Polen und Deutschland. Zunächst sprach jeder der neuen Siedler in seiner Muttersprache. Im Laufe der Zeit begannen sich diese verschiedenen Sprachen jedoch gegenseitig zu durchdringen.

In dem Gebiet, über das wir hier sprechen, kam die überwiegende Mehrheit der Siedler aus Polen. Es waren hauptsächlich die Bauern aus Masovien und Kurpen. Durch die Schaffung neuer Dörfer und Städte ernannten die Deutschen Ordensritter ihren Locator, der mit den mehrsprachigen Besuchern kommunizieren musste. Es war keine leichte Aufgabe, da das Auferlegen einer Sprache für alle Neuankömmlinge auf große Schwierigkeiten stieß.

Einfache Bauern und Handwerker hatten bezüglich der sprachlichen Unterschiede keine größeren Probleme miteinander zu kommunizieren. Einige lernten schneller, andere hatten mehr Probleme, eine neue Sprache zu erlernen. Siedler, die der Kirche oder der weltlichen Elite angehörten, lernten die Amtssprache schneller. Die anderen hielten meistens an ihrer Muttersprache fest oder schufen neue Wörter, die sprachliche Unterschiede einzelner Siedlungsgruppen berücksichtigten bzw. integrierten. Dieses Problem bestand praktisch während des gesamten Zeitraums, angefangen beim Deutschordensstaates über das Herzogtum und dann das Königreich Preußen bis hin zum Dritten Deutschen Reich. Diese Entwicklung wird sehr treffend durch das Märchen des Pastors und Predigers Wilhelm Raschke illustriert, das im "Masurischen Kalender" für das Jahr 1915 (S. 32-33) erschien

                Einigkeit der Sprachen Märchen

       Ein Kuckuck kam einmal eingeflogen,
Vor dem Adler wollte sich verbeugen,
Behauptend, dass er vortragen werde
Eine riesengroße Beschwerde.
Der Star führt ihn dem König vor,
Und lässt ihn warten wohl im Flur.

Der König lässt ihn gnädig rein,
Er macht sich auf dem Diwan breit.
Der Kuckuck spricht nach viel Verbeugen,
Mein Herr, du warst allen Vögeln,
Als König immer gnädig,
Nur immer um ihr Glück besorgt,
Es ist Deiner Klugheit nicht entgangen,
Dass sie dem Verderb entgegen gehen;
Jeder kräht, krächzt und schreit,
Und lacht über Deine Einheit.
Das Herz wird einem weit,
Wenn der Kuckuck „Kuckuck“ schreit,
Wen die Buche Blätter bekommt,
Und ich Kuckuck, Kuckuck, rufe fromm,
Befehle dass in meiner Sprache gleich
Alles spricht in Deinem Königsreich,
Dann wird Gleichheit und Einheit sein,
Angenehm im Lande und Leben.
Und der König runzelt die stolze Stirn,
Und ruft die Vögel alle zusammen:

        „Einen neuen Erlass mache ich bekannt,
Jeder hat Kuckuck zu rufen im Land,
Es ruft der Star, Fink und die Lerchen,
Das Geschlecht der Raben, Dohlen und Krähen,
Das Kaninchen im Gesange nicht bewandert,
In Kuckuck sein Schrei verändert,
Dort auf der Tanne, hier auf der Buche,
Hört man jetzt nur Kuckuck-rufen,

Der König vom Kuckucksruf betäubt,
Auch selbst zu denselben rufen gezwungen,
Lässt von Verzweiflung ganz benommen,
Alle, alle zu sich kommen.
Er spricht: Ich wollte während meines Lebens,
Innerhalb den Grenzen meines Königreichs,
Das Volk durch eine gleiche Sprache binden,
Zum Kuckuckrufe verpflichten,
Ich sehe aber, dass von Tyrannei,
Meine Herrschaft erfüllet sei,
Daher wir jetzt nur immer Freiheit herrschen,
Niemand mehr zu fremden Sprache gezwungen.
Denn der liebe Gott gab uns die Zunge,
Und die Verschiedenheit der Sprache,
In den Mund gelegt.
„Singend die Haube tragend mit Recht,
Wie Euch der Schnabel gewachsen ist“


Geschrieben von Pfarrer Wilhelm Raschke +1855, in seiner Zeit berühmter geistlicher Leibens- und Seelenarzt. (Aus dem Masurischen Kalender 1915)

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Als Analogie zu dieser bildlichen Darstellung sprachlicher Probleme kann man sich den Bildungsmechanismus des Entstehen der masurischen Sprache vorstellen. Vielleicht würde hier der Begriff "Dialekt" besser passen als "masurische Sprache", denn das ist keine Sprache im vollen Sinne des Begriffs. Es gibt keine strengen grammatikalischen Regeln, Rechtschreibregeln und sogar viele Wörter haben in verschiedenen Regionen Masuren unterschiedliche Bedeutungen. Es gibt überhaupt keine Literatur in dieser Sprache, und die erhaltenen Dokumente enthalten nur einzelne Begriffe, die in der masurischen Sprache verwendet werden. Denn in den Gebieten, in denen die masurische Sprache am weitesten entwickelt war, gehörten die polnischen Siedler zu der überwiegenden Mehrheit der Einwohner. Die polnische Sprache ist daher zum Kern der meisten Wörter geworden, die in der masurischen Sprache verwendet wurden.

Aufgrund der Tatsache, dass die Amtssprache Deutsch war, war jedoch ihr Einfluss auf die Bildung der masurischen Sprache entscheidend. Das Vokabular, die Satzsyntax und die Grammatikregeln dieser beiden Sprachen haben sich vermischt. Es wurden neue Wörter geschaffen, um Objekte und Phänomene aus der deutschen Sprache zu beschreiben, die polnische Siedler zuvor nicht gekannt hatten. So haben sie auch neue Entsprechungen für sie in ihrer Muttersprache geschaffen. Wortenden der Muttersprache wurden sehr oft an die deutsch klingende Wortwurzel angehängt (z. B. "richtować" bedeutet auf Polnisch "lenken, setzen, begradigen, positionieren"). Auch die Konstruktion von Sätzen in der masurischen Sprache ist eine Mischung aus verschiedenen Grammatiken (z. B. "Ich habe es hängen (mam to zisieć)" auf Polnisch "hängt an ...".

Die Bewohner der ehemaligen preußischen Stämme sowie Neuankömmlinge aus dem litauischen Sprachraum hatten ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf die Bildung der masurischen Sprache. In der masurischen Sprache findet man viele Wörter, die ihre Wurzeln in den Sprachen ihrer Vorfahren haben. Da die Masuren keinen direkten Zugang mehr zu der lebendigen, sich ständig verändernden polnischen Sprache hatten, war die ihnen bekannte archaische polnische Sprache die Grundlage ihrer Kommunikation. Die Sprache wurde von Generation zu Generation weitergegeben und durch Einführung neuer Begriffe und Wörter auch entsprechend "modifiziert". Sie blieb in dieser Form bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs erhalten. Infolge des Zweiten Weltkriegs zerstreute sich die masurische Gemeinschaft, und ihre Vertreter befanden sich größtenteils in Deutschland, nur wenige von ihnen fanden ihren Platz auf der Erde außerhalb Europas, der Rest blieb in ihrer Heimat. Die Masuren, die in ihren Häusern blieben, mussten ihre Sprache so schnell wie möglich der polnischen Umgebung anpassen, indem sie die offizielle polnische Sprache annahmen. Diejenigen, die ihren masurischen Dialekt nach Deutschland mitnahmen, kommunizierten dort weiter in dieser Sprache mit ihren Mitmenschen aus der "alten Heimat".

Im Laufe der Zeit, als der Wechsel der Generationen stattfand, begann auch die masurische Sprache langsam zu verblassen, um heute vollständig aus dem allgemeinen Gebrauch zu verschwinden. Glücklicherweise wird jetzt die masurische Sprache dank einer kleinen Anzahl von "Enthusiasten" langsam rekonstruiert.

Ein Versuch sich an die masurische Sprache zu erinnern, hilft uns das kulturelle Erbe dieser Region in gewissem Maße zu verstehen, auch sein "Geist", der die Gegenwart mit der Vergangenheit verbindet.

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